„Das Kundenerlebnis hängt maßgeblich vom Kundenservice ab.“ Dieser Gedanke wurde dieses Frühjahr auf der „Customer Contact Week Europe“ in Glasgow gefühlt hundertfach geäußert – einem Event, auf dem sich dutzende der einflussreichsten Kundenservice-Experten regelmäßig treffen. Service begegnet dem Kunden heute viel häufiger auf seiner “Einkaufsreise“ und wird damit zum wichtigen Bestandteil eines insgesamt großartigen Kundenerlebnisses.
1. Beschwerdekunden können von größtem Wert sein (und es lohnt sich, in sie zu investieren)!
Was bringt Menschen dazu, extra mit einem Kontakt aufzunehmen, nur um sich zu beschweren? Vielleicht tun sie es, weil ihnen etwas an Ihrer Marke liegt und sie die Beziehung dazu als einen wichtigen Teil ihres Lebens sehen. Wenn also ein Kunde eine schlechte Erfahrung macht, dann ist das von großer Bedeutung.
Laut Claire Carroll vom britischen Lebensmittelhändler The Co-op muss man „ziemlich motiviert sein, um sich über ein Sandwich zu beschweren.“ Sie fügt hinzu, dass „Meckerer“ jährlich etwa 200 Mio. Pfund bei The Co-op ausgeben. Aus diesem Grund hat das Unternehmen die Art, wie man mit Beschwerden umgeht, radikal geändert.
Unter ihrer Aufsicht als Leiterin des Kundenservice begann man, auf Beschwerden persönlicher zu reagieren. Zum Beispiel schickte man nach einer Beschwerde ein Paket mit Disney Spielsachen an ein Kind, das ein großer Disney Fan ist. Laut Carroll sahen manche im Unternehmen solche Maßnahmen als trivial und reine Geldverschwendung an, aber der Nutzen wurde schnell klar, als 12 Monate später die 200 Mio. Pfund um 12 Mio. gestiegen und die Beschwerden um 20% gesunken waren.
2. Der Servicekontakt ist keine reine Beschwerde-Hotline.
Sehen Sie Ihr Callcenter als eine direkte Verbindung zu Ihren Kunden und einen Weg ihnen zu helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Einige der größten Erfolgstories auf der CCW kamen von Unternehmen, die ihr Servicecenter nicht länger als ein notwendiges Übel betrachteten sondern als wichtiges Mittel, um ihren Kunden zuzuhören. Die Einstellung der Mitarbeiter entsprechend zu beeinflussen, ist ebenfalls unerlässlich. Wenn Ihre Leute immer nein sagen, versuchen Sie, die Unternehmenskultur ein wenig zu verändern und etwas mehr Autonomie einzuführen. Ermöglichen Sie es ihnen zu tun, was nötig ist, um ein Problem zu lösen – bis es auch wirklich gelöst ist.
3. Vergessen Sie Regieanweisungen!
Roboterartige, geschäftsmäßige Antworten der Mitarbeiter an Kunden sind für diese nicht selten ein echter „Abturner“. Vielleicht denken Sie, man schafft damit eine effiziente, präzise Kommunikation. Aber Kunden berichten oft davon, dass es ihnen vorkommt, als sprächen sie mit einer Maschine. Hui Wui Curtis von Choice Hotels erkannte das, als sie versuchte, die Abläufe im Choice Kundencenter zu verbessern. Also warf sie das Skript sowie die komplexen QA Formulare weg und ließ die Mitarbeiter einfach mit den Kunden sprechen.
„Wir haben uns darauf konzentriert, die Interaktion mit den Kunden als ein Mittel zu sehen, den Erfolg zu messen,“ sagte sie. Sie wurden sogar ermutigt zu verkaufen – ein kontroverses Konzept in einer Welt, wo man oft akzeptiert, dass Verkauf Menschen abschrecken könnte und es auch tut. Das Ergebnis? Die übliche Sommerflaute im Hotelgewerbe wurde im ersten Jahr verringert und ist im zweiten Jahr komplett abgeflacht. Curtis sieht das als „Sieg für uns“.
4. Wenn Kunden durch eine schlimme Zeit gehen, machen Sie ihnen das Leben leichter.
Die Frage, wie man mit dem Konto eines kürzlich verstorbenen Kunden umgeht, tauchte mehrmals während der CCW auf. Greg Reed, CEO der britischen Heizungsversicherung Homeserve sagt, sein Unternehmen machte dem Marathon des Formularausfüllens ein Ende. Stattdessen genügt nun das Wort der Angehörigen, ein Totenschein wird nicht länger benötigt. Denselben Weg ging Choice Hotels und indem man den ganzen Ablauf vereinfachte (und menschlicher machte), konnte man sogar den Zeitraum für Rückerstattungen nach einem Todesfall von 3-5 Wochen auf 3-5 Tage verringern.
5. Kundenkontakt per Video – das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.
Videoanrufe gibt es zwar schon seit Jahren, konnten sich aber im Kundenservice immer noch nicht richtig durchsetzen. Bei einer Diskussionsveranstaltung auf der CCW herrschte in Sachen Video geteilte Meinung. Einige sehen es als unschlagbares Mittel, die Emotionen von Kunden besser nachzuvollziehen. Andere sehen hingegen das Problem, dass speziell Millennials Kontakt mit echten Kundendienstmitarbeitern eher ablehnen – ganz zu schweigen vom Gespräch Angesicht zu Angesicht.
Es gibt allerdings einen gewissen Konsens für den Einsatz im B2B Bereich oder als Mittel, um technische Probleme zu lösen. Zum Beispiel könnte ein Kunde mit einem defekten Gerät den Kundendienst anrufen und dem Techniker per Video das Problem bereits zeigen und näher erläutern. Auf diese Weise vergeudet der Vor-Ort-Service keine Zeit mehr mit Diagnose und kann sich auf die Reparatur konzentrieren.
6. Bei der Automatisierung geht es nicht um Geld sparen.
Die Einführung von Automatisierung, KI und maschinellem Lernen ist kein Grund, Stellen zu streichen und Geld zu sparen. Vielmehr sollte Automatisierung helfen, den Kundenservice zu beschleunigen, komfortabler und besser zu machen. Wenn das nicht Ihre Motivation für Automatisierung ist, dann betreiben Sie diese eventuell aus falschen Motiven. Dr. Volker Hildebrand, Global VP of Strategy bei SAP Hybris stellt fest, dass man fehl am Platz ist, wenn man den Erfolg von Automatisierung ausschließlich am eingesparten Geld bemisst. „Wenn sie Folgendes schafft – Geschwindigkeit, Komfort und die richtigen Antworten – dann funktioniert sie. So misst man ihren Erfolg, nicht dadurch, wieviel Kosten sie einspart.“