Highspeed-Lieferungen könnten die Kräfteverhältnisse im Kampf zwischen traditionellem Einzel- und dem Onlinehandel komplett verschieben. Onlinehändler setzen alles daran, eines der letzten großen Kaufhindernisse zu beseitigen – den Mangel an Unmittelbarkeit.
Der stationäre Einzelhandel profitiert immer noch von der direkten Verfügbarkeit als großen Vorteil, wenn es um bequemes Einkaufen und Spontankäufe geht. Auch ist er immer noch die wortwörtlich naheliegende Quelle für kurzlebige Güter wie frische Lebensmittel oder Blumen.
Allerdings befinden sich die Lieferdienste bereits in einem Innovationsprozess – sowohl technologisch als auch unternehmerisch. Es gibt bereits Zustellservices mit „Stundenlieferung“ und diese könnten bereits in naher Zukunft weit verbreitet sein. Stationäre Händler sollten daher höchst aufmerksam die aktuellen Veränderungen in der Logistikbranche beobachten und sich darauf vorbereiten, um einem ihrer Hauptvorzüge beraubt zu werden.
Wird Amazon, um seine gewaltigen Investitionen in die Logistikinfrastruktur zu amortisieren, sein Lieferangebot schließlich horizontal ausrichten und mit bestehenden Liefergrößen wie UPS konkurrieren? Dies würde mit dem Weg übereinstimmen, wie Amazon seine anderen großen Infrastrukturinvestitionen zu Geld gemacht hat, z.B. durch das Angebot von Rechenpower, Speicherung, Vermarktung, Lagerhaltung und Vertrieb als Serviceleistung. Die Lieferung nach Hause ist eindeutig ein wachsender Trend. Allerdings sollte auch erwähnt werden, dass die Hauszustellung kein Patentrezept ist, das von jedem gewünscht wird. Für manche bedeutet sie großen Komfort, doch für andere kann sie auch das genaue Gegenteil bedeuten, vor allem durch unpraktische und unvorhersehbare Lieferfenster.
Eine Vielzahl Unternehmens- und Technologiemächte mit Verdrängungspotential sind im Spiel:
- Sensorgesteuerte Algorithmen werden die Liefereffizienz steigern: Fuhrparkmanagement, Streckenmanagement und Beladungsalgorithmen werden sich immer weiter verbessern. Dies wird der Produktivität, Effizienz und Geschwindigkeit der bestehenden Liefernetzwerke einen gewaltigen Schub verleihen. Auch könnten sie dazu beitragen, die Genauigkeit der Zustellfenster zu erhöhen und damit mehr Käufer für eine Lieferung nach Hause begeistern.
- Neue Peer-to-Peer Liefernetzwerke werden entstehen und mit den bestehenden Riesen konkurrieren: Unternehmen wie Uber werden sich nicht damit zufriedengeben, nur die Taxibranche zu revolutionieren. Uber experimentiert bereits mit Lieferdiensten, wie z.B. UberFRESH als Lieferdienst fürs Mittagessen und Uber Corner Store für on-demand Lieferung von Bedarfsartikeln und Lebensmitteln.
- Die öffentliche Infrastruktur: Stadtverwaltungen, die vor dem Problem stehen, die Megastädte der Zukunft zu versorgen, experimentieren bereits mit Lieferungen über die öffentliche Infrastruktur. Fest zugeordnete Züge in japanischen U-Bahnen werden z.B. für Warenlieferungen genutzt, um die Straßen der größeren Städte zu entlasten. U-Bahn-Züge für die Abfallentsorgung werden sicherlich folgen.
- Autonome Lieferfahrzeuge und Roboter werden sich langsam durchsetzen: Auf autonom fahrende PKW’s folgen autonome Lieferfahrzeuge und darauf irgendwann Roboter und Drohnen, die Pakete bis vor das Haus oder den Gehweg liefern können. Wie schnell dieser Übergang von menschlicher Arbeitskraft zu automatisierter Technik stattfindet, wird voraussichtlich stärker von der sozialen Erwünschtheit, der Arbeitsmarktpolitik und dem Einfluss der Gewerkschaften abhängen, als von der technologischen Bereitschaft.
- Lieferdrohnen könnten die Last-Mile- oder Heimlieferung beschleunigen: Sind sie erst einmal ausreichend getestet und ist der Luftraum für ihre Nutzung freigegeben, könnten Drohnen die Lieferung einer Vielzahl der kleineren und leichteren Artikel übernehmen. Dennoch gibt es noch einige behördliche und soziale Hürden, bevor all dies Realität wird. Einige Unternehmen wie Amazon, UPS und Project Wing von Google, führen in dem Bereich bereits Entwicklungsprogramme durch. Drohnen könnten die Lieferzeiten von Tagen auf Minuten reduzieren, was viele Spontankäufe im Online-Store statt im Ladengeschäft bedeuten würde. Eine solche Verschiebung müsste man vor dem Hintergrund einer größeren Zukunftsfähigkeit, Energieeffizienz, öffentlicher Sicherheit und einer Reihe von Umweltfragen betrachten.
Click & Collect: Selbstabholung liegt voll im Trend, vor allem in Europa. Carrefour in Frankreich besitzt große Drive-Through Abholcenter direkt neben ihren Großmarkt Einkaufszentren.
Mobile Geschäfte: Auchan, ein weiterer großer französischer Einzelhändler, hat 3.000 mobile Läden geschaffen, die dorthin fahren, wo sich ihre unter Zeitdruck stehenden Kunden befinden – auf den Parkplätzen der großen Firmen, Schulen, Kirchen etc.
DIE HERAUSFORDERUNGEN FÜR DEN KLASSISCHEN EINZELHANDEL:
1.) Sorgen Sie dafür, dass Sie die Highspeed-Liefer-Services bereits klar im Blick haben, sobald diese für Ihre Kunden verfügbar sind.
2.) Machen Sie deutlich, dass Sie immer noch ein starkes Markenversprechen und einzigartige Vorteile bis hin zum Erlebniseinkauf bieten, sobald die direkte Verfügbarkeit als Unterscheidungsmerkmal zum Onlinehandel wegfällt.
3.) Zeigen Sie Präsenz im Internet und denken Sie auch darüber nach, selbst den Online-Vertriebskanal zu nutzen – eventuell auch über gemeinsame Internet-Plattformen oder virtuelle Marktplätze.